Es ist das Jahr 2012. Felix Baumgartner steigt mit einem Heliumballon über den Ebenen von New Mexico, USA bis in eine Höhe von 39 Kilometer auf, um aus der Stratosphäre in Richtung Erdboden zu springen. Mit diesem Sprung, vom Rand des Weltalls aus, stellt er einen neuen Weltrekord im freien Fall auf und durchbricht als erster Mensch ohne jeglichen Motorantrieb die Schallmauer.
Diese spektakuläre Aktion ähnelt in mancherlei Hinsicht einer anderen bemerkenswerten Meisterleistung: einem Elektrorennwagen, der ohne Pilot im Cockpit beim DTM Electric Remote Run eine Runde dreht. Mit einem großen Unterschied: Der Fallschirmsprung von Felix Baumgartner wurde drei Jahre lang vorbereitet. Unser Projekt hatte nur fünf Monate. Würde das reichen?
Ein Unternehmen, das Innovationen vorantreibt
Die in Deutschland ansässige Schaeffler Gruppe ist ein weltweit führender Automobil- und Industriezulieferer, der Pionierarbeit bei Kohlenstoffeffizienz, Elektromobilität, Digitalisierung und erneuerbaren Energien leistet. Die Schaeffler Gruppe treibt seit über 70 Jahren zukunftsweisende Innovationen und Entwicklungen in den Bereichen Bewegung und Mobilität voran. Mit innovativen Technologien, Produkten und Services für CO₂-effiziente Antriebe, Elektromobilität, Industrie 4.0, Digitalisierung und erneuerbare Energien ist das Unternehmen ein verlässlicher Partner, um Bewegung und Mobilität effizienter, intelligenter und nachhaltiger zu machen.
Als Leiter Technische Entwicklung Motorsport ist es meine Aufgabe, die von Schaeffler entwickelten Systeme auf den Rennsport zu übertragen. Unser Fokus liegt dabei vor allem auf elektrifizierten Antriebssystemen. Diese kennt man bereits aus der Formel E, der ersten vollelektrischen Rennserie der Federation Internationale de l’Automobile (FIA). In Zusammenarbeit mit Audi entwickelten wir den Elektromotor, den Wechselrichter und Teile des Getriebes.
2019 führten wir die ersten Gespräche mit der ITR, der Dachorganisation der Deutschen Tourenwagen-Masters (DTM), über eine Elektrifizierung der Rennserie. Ende 2020 stellten wir dann das DTM Electric Democar beim Saisonfinale der DTM in Hockenheim vor, ein 1.200 PS starkes vollelektrisches Demo-Fahrzeug, bei dem jedes Rad über einen Elektromotor aus der Formel E angetrieben wurde.
Das war zwar schon sehr beeindruckend, aber wir wollten natürlich mehr. Wir von Schaeffler möchten bis 2023 einen vollelektrischen Rennwagen entwickeln. Das DTM Electric Democar konnten wir dabei als Testfeld für neue Technologien nutzen, insbesondere das Drive-by-Wire-System von Schaeffler. Statt über Seilzug oder Hydraulikdruck erfolgt bei der Drive-by-Wire-Technologie die Steuerung der Bremsen, der Lenkung und des Getriebes über elektronische Systeme.
Die Drive-by-Wire-Technik hat im Markt enormes Zukunftspotenzial, sodass wir uns überlegten, wie wir das Fahrzeughandling modifizieren konnten, um die Drive-by-Wire-Technologie auf breiterer Basis einzusetzen. Was wir hatten, war ein elektrischer Antrieb und ein Steer-by-Wire-System, aber wir konnten die Bremsen noch nicht „by wire“, also elektrisch, steuern. Hierfür mussten wir Aktoren einbauen und die gesamte Software und Topologie unseres Systems neu konzipieren. Als das geschafft war, konnten wir das Auto aus der Ferne steuern.
Um das Unmögliche möglich zu machen, braucht man die richtigen Partner, die mit derselben Begeisterung und visionären Einstellung an das Projekt herangehen.
Die Suche nach Partnern, die unsere Vision teilen
Der gesamte Aufbau war neu. Wir übernahmen alle bisherigen Systeme, erweiterten sie und fügten neue Elemente wie beispielsweise einen Kamera-Stream aus dem Fahrzeug hinzu. Das Auto musste mit Drive-by-Wire-Technologie ausgestattet sein und wir brauchten zur Steuerung aus der Ferne einen Fahrsimulator, der den Fahrer im Simulator mit dem entsprechenden Feedback versorgt. Dafür mussten wir eine Möglichkeit finden, wie wir die Signale zwischen Fahrzeug und Simulator zuverlässig übertragen konnten.
Die technologischen Fragestellungen waren knifflig, aber die größte Hürde war, Partner mit den entsprechenden Kompetenzen zu finden, um aus den einzelnen Teilen in nur fünf Monaten ein großes Ganzes zu machen. Der Zeitplan war verrückt und wir brauchten einen Netzwerk-Partner, der nicht nur die technischen Voraussetzungen erfüllte, sondern sich auch voll reinhängen und alle Ressourcen aufbieten würde, um das Projekt zu realisieren. Das war kein Standard-Netzwerk-Job, sondern ein visionäres Zukunftsprojekt, bei dem wir etwas schaffen wollten, was noch nie zuvor gemacht wurde.
Hier trat Riedel Networks auf den Plan. Das Unternehmen hatte das technische Know-how und sah in dem Projekt eine Möglichkeit, seine Stärken bestmöglich unter Beweis zu stellen. Riedel und sein hervorragender Ruf sind mir schon früher in meiner Rennsportlaufbahn begegnet und so war es sofort klar, dass das Unternehmen genau der richtige Partner für den Job war.
Technische Herausforderungen und umgebungsbedingte Erschwernisse
Tatsächlich mussten wir drei technologische Herausforderungen meistern. Erstens brauchten wir eine ausreichende Bandbreite, um den Video- und Audio-Stream vom Fahrzeug zum Fahrsimulator zu übertragen. Bei diesen Daten war das eine Menge. Das zweite Thema war die Latenzzeit. Alle Signale mussten in einem Bruchteil einer Sekunde übertragen werden. Bei derart hohen Renngeschwindigkeiten hat eine Verzögerung zwischen dem Geschehen auf der Rennstrecke und der Reaktion des Fahrers im Simulator gravierende Auswirkungen. Die Übertragung muss nahezu in Echtzeit erfolgen. Andernfalls kann das Fahrzeug außer Kontrolle geraten. Dieses Problem führt zum dritten Thema, nämlich den Sicherheitsbedenken, die mit der Latenz in Zusammenhang stehen. Die Latenz musste das gesamte Rennen über extrem gering sein. Würde sie nur für einen Moment über einer bestimmten Schwelle liegen, müsste das Fahrzeug automatisch abschalten. Denn niemand wüsste, wie lange die Latenz anhält.
Abgesehen von den technischen Schwierigkeiten stellte uns auch die Lage der Rennstrecke vor große Herausforderungen. Der Red Bull Ring im österreichischen Spielberg liegt in den östlichen Alpen. Wir hatten also mit großen Höhen und Berggipfeln zu tun, die den Funksignalen im Weg stehen. In der Mitte des Red Bull Rings steht zudem ein großer Bulle aus Stahl – auch das mögen Funksignale nicht unbedingt. Außerdem waren da auch noch die vielen anderen Rennteams, die alle mit ihrem eigenen Funknetzwerk arbeiteten, sodass wir sicherstellen mussten, dass unsere Frequenz nicht gestört wird. Und als ob noch nicht genug: Nebenan befindet sich ein Militärflughafen. Jedes Mal, wenn ein Kampfjet startet, kann die Aktivierung der Systeme unser Funknetzwerk stören.
Abschließend brauchten wir natürlich auch einen Backup-Plan, um bei einem Netzwerkfehler die Sicherheit aller zu gewährleisten. Im schlimmsten Fall hätten wir einen zwei Tonnen schweren Boliden, der unkontrolliert mit 200 km/h über die Strecke rast. Eine Katastrophe. Wir mussten uns also einen Plan B überlegen, für den Fall, dass irgendeine Komponente ausfällt, von der Stromversorgung des Simulators über das Netzwerk bis zum Drive-by-Wire-System. Das waren sehr viele Dinge in sehr kurzer Zeit – zu schaffen nur mit einem hochqualifizierten Team.
Neue Ideen und Last-Minute-Änderungen
Schaeffler übernahm die Projektleitung und die Gesamtverantwortung für das Projekt, insbesondere für das Fahrzeug und das Drive-by-Wire-System. Riedel war zuständig für die Netzwerkabdeckung und die sichere Bereitstellung der Funk- und Datenkommunikation. Um zu jeder Zeit eine stabile Funkverbindung zwischen Simulator und Fahrzeug gewährleisten zu können, nutzten wir eine Kombination aus zwei separaten Glasfaserverbindungen sowie einer 5G-Verbindung.
Als wir uns die ersten Gedanken zu diesem Projekt machten, war die Grundidee, das Auto fernzusteuern. Aber je weiter wir uns in das Projekt vertieften, desto mehr entwickelte es sich weiter. Wenn wir das Auto schon aus der Ferne steuern, warum dann nicht gleich von weiter weg? Wir beschlossen, das Fahrzeug nicht von einem Simulator in der Boxengasse aus zu steuern, sondern den Simulator im 80 km entfernten Graz zu platzieren. Das aber bedeutete, dass wir das Funksignal noch weiter übertragen mussten, bei gleicher Reaktionszeit. Unser Ziel war, die Daten vom Simulator zum Fahrzeug und zurück nach Graz in unter hundert Millisekunden zu übermitteln.
Der Vorschlag von Riedel: ein Wide Area Network mit zwei Glasfaser-Primärverbindungen und einem 5G-Backup. Das erhöhte zwar die Kosten, aber wir konnten nicht wochenlang auf die Ergebnisse eines traditionellen Evaluierungsprozesses warten. Daher schlug Riedel Networks vor, für das zusätzliche Netzwerk Cisco als Sponsor an Bord zu holen. Cisco sagte zu und wir bekamen die Netzwerkerweiterung von Spielberg nach Graz mit einer Latenzzeit von weniger als 10 Millisekunden vom Rennauto zum Simulator und zurück zum Auto. Für den Fahrer war es damit kein Unterschied, ob er den Rennwagen aus der Boxengasse fernsteuert oder vom Simulator in Graz aus. Der Aufbau war perfekt und machte den Showcase noch spannender.
Riedel war während des gesamten Projekts hervorragend, sowohl beim Design des Netzwerks als auch auf Ebene der einzelnen Teammitglieder. Wir hatten uns kaum über die administrativen Fragen und die Aufteilung der Verantwortlichkeiten geeinigt, da entsandten sie schon Mitarbeiter in unsere Arbeitsgruppe. Sie haben immer abgeliefert, bei jedem unserer wöchentlichen Meetings. Wir konnten uns stets auf ihre Expertise, Effizienz und Zuverlässigkeit verlassen. Einen Partner mit einem solch hohen Maß an Professionalität und Motivation zu finden, ist nicht einfach.
Natürlich heißt das nicht, dass wir nicht auch Probleme zu lösen hatten. Noch am Morgen des Testlaufs fiel eine der Mesh-Verbindungen aus und das Team von Riedel musste raus auf die Strecke, die Ursache der Störung finden (die Glasfaserverbindung war unterbrochen) und sich Zugang zu einem verschlossenen Raum in einer überfüllten Rennanlage verschaffen – alles innerhalb von 30 Minuten. Das ist es, was dieses Team so besonders machte: die Gewissheit, dass wir alle Probleme lösen würden. Wir waren ein hervorragendes Team – und ohne Riedel hätten wir das Projekt nie in dieser kurzen Zeit stemmen können.
Das Unmögliche möglich machen
Als ich nach all den Monaten harter Arbeit neben der Rennstrecke stand und unser Rennwagen mit 180 km/h zwei Meter an mir vorbeiraste, ist mir erst richtig bewusst geworden, was wir geschafft hatten. Wenn du die richtigen Leute zusammenbringst und sie ihre Stärken voll ausspielen lässt, kannst du Großes erreichen – auch in kurzer Zeit.
Es gab durchaus Stimmen, die es uns nicht zugetraut hatten, ein Konzept für die Fernsteuerung eines Elektrorennwagens in so kurzer Zeit zu entwickeln. Dabei haben wir viel mehr geschafft als nur ein Konzept. Wir haben das Konzept in die Tat umgesetzt, auf einer echten Rennstrecke, bei einem echten Rennen, mit echten Menschen. Am Tag des Testlaufs habe ich unseren Rennwagen nicht auf einem Bildschirm verfolgt, sondern ihn „live“ mit meinen eigenen Augen gesehen.
Wenn du die richtigen Leute zusammenbringst, kannst du Großes erreichen, auch in kurzer Zeit.
Riedel hat maßgeblich dazu beigetragen, dass wir mit diesem Projekt unsere Arbeit präsentieren und uns nicht nur als traditioneller Zulieferer positionieren konnten, sondern als Pionier bei der Steuerung und Kontrolle von komplexen Systemen. Das ganze Projekt war nur möglich, weil Schaeffler auf die Unterstützung von zuverlässigen Partnern wie Riedel bauen konnte. Und das ist noch nicht das Ende der Geschichte. Wir arbeiten weiter intensiv an der Entwicklung eines vollelektrischen Rennwagens bis 2023 und werden auch mit Riedel weiter im engen Austausch über künftige Projekte bleiben. Wer weiß? Vielleicht werden wir irgendwann eine weitere große Geschichte erzählen können.